Donnerstag, 18. Oktober 2012

Bernd und der Zeitfresser

Bernd navegierte schon einige Zeit im Netz herum, als er plötzlich eines Schmatzens und Knurpsens gewahr wurde, das aus einer Ecke seines Zimmers kam. Er blickte sich um, sah aber nichts und widmete sich wieder seinem Rechner.

Da war es schon wieder, dieses Schmatzen. Bernd sah sich um, konnte aber nichts ausmachen. Er wandte sich wieder seinem Zeitvertreib zu. „Du kannst so tun, als gäbe es mich nicht, aber das ändert nichts daran, dass ich hier in der Ecke deines Raumes sitze und deine vertane Zeit in mich hereinstopfe.“ deklamierte eine entenschnatternde Stimme.

Erschrocken drehte Bernd sich um und dann sah er ihn. In der Zimmerecke saß ein grünes fettes Wesen mit feucht schimmernder Haut. Es sah einem Frosch ziemlich ähnlich, hatte aber auch etwas von einem Menschen.
Bernd standen die Haare zu Berge, starrte mit angst- und ekelerfüllten Augen den Eindringling an und stammelte: „W-w-wer bist d-d-du? W-Wie bist du hi-hi-hier hereingekommen?“ - „Ich bin dein Zeitfresser, und ich bin jeden Tag hier. Immer wenn du mich brauchst, heißt das. Mein Name ist immer der meines Wirtes. Also heiße ich Bernd.“
„Und du ernährst dich von … meiner Zeit?“ - „Von deiner vergeudeten Zeit.“
Bernd sagte, zunächst bestimmt, aber zunehmend kleinlaut: „Wie, vergeudete Zeit? Ich, mh, also du meinst, wenn ich so manchmal sinnlos im Internet unterwegs bin?“ „Manchmal?“ fragte der grüne Bernd und klatschte demonstrativ auf seinen Bauch. „Manchmal? Du bist mein einziger Wirt, und ich bin fettleibig!“ - „Hmm, aber du musst doch zugeben, dass dir meine Zeitvergeudung sehr zupass kommt.“ Der froschartige Bernd meinte darauf: „Nein, ich bin einfach zu dick. So geht das nicht weiter. Aber ich zeige dir etwas.“

Sprachs und setzte sich an den Rechner: „Du vergeudest so viel Zeit, dass ich gar nicht alles herunterschlingen kann. Ich habe mir erlaubt, in dem sozialen Netzwerk, in dem du einen Großteil deiner Zeit versenkst, ein Alternativprofil von dir erstellt.“
Der Zeitfresser öffnete das Konto von „Bernd aktiv“, das sehr bunt war und viele Fotos enthielt.
„Hier siehst du all das, was du mit der ganzen vergeudeten Zeit hättest anfangen können:
  • Ein Foto von dir und deinen Freunden beim Fußballspielen – und das richtig auf dem Bolzplatz und nicht online.
  • Eine Kopie deines Informatikdiploms, das du über den zweiten Bildungsweg erreicht hast – hättest, soll das natürlich heißen.
  • Ein Bild von deinem Neffen, mit dem du zusammen einen Lenkdrachen baust. Siehst du, wie der Junge strahlt? Guck ihn dir ruhig an, du hast ihn ja lange nicht mehr besucht!
  • Und hier bei der Freiwilligen Feuerwehr.
  • Und dort, … nun ja.“
Bernd schrie: „Moment, da liege ich ja im Krankenhaus mit einem eingegipsten Bein! Also ist im Netz Herumlungern doch manchmal besser.“ Der Zeitvertilger antwortete: „Gut, das Bein hast du dir beim Bergsteigen gebrochen. Aber siehst du die Krankenschwester dort? Tolle Ausstrahlung und dazu noch Superfigur. Und wie sie dich anschaut! Nun ja, du wirst sie ja doch nie kennenlernen, weil du den ganzen Tag nur mich mit toter Zeit fütterst...“
„Was willst du denn eigentlich von mir? Mein Lebensstil muss dir doch 100%ig gefallen!“ - „Nein, ich kann es nicht mit ansehen: Nicht wie du deine Zeit vergeudest und auch nicht, wie ich immer fetter und fetter werde. Damit muss Schluss sein! Verstehst du? Wenn ich doch nur sehen könnte, wie du endlich etwas vernünftiges machst, dann kann ich auch in Frieden sterben. Schließlich bin ich auch nicht mehr der Jüngste.“ Bernd fragte: „Heißt das, wenn ich meine Zeit ab jetzt sinnvoll nutze, musst du verhungern?“ - „Ja, aber mach dir keine Sorgen: Ich bin ohnehin schon sehr alt und was ich an verlorener Zeit in der Speisekammer habe, reicht locker bis zu meinem Ableben. So, denk über meine Worte nach. Jetzt mache ich mich wieder unsichtbar. Lebe wohl und lebe sinnerfüllter.“

Mit diesen Worten verschwand der froschartige Bernd und ließ den verdutzten Bernd zurück. Dieser dachte eine Weile nach und sprach: „Der Zeitfresser hat Recht. Ich muss mit diesem Zeitverschleudern aufhören. Morgen fange ich damit an.“

Dann widmete er sich wieder seinem Rechner und versank im Kommentarteil einer Sportzeitung.
Das verzweifelte und später resignierende Seufzen in der Zimmerecke hörte er nicht mehr.
Und auch nicht das in der Folge einsetzende Schmatzen und Knurpsen.

Mittwoch, 15. August 2012

Bernat und der Doppeltraum

Als er eines Tages von seinem üblichen Weg abwich, kam Bernat an einem alten Haus vorbei. Dieses Haus erregte sein Aufsehen, da es frisch rosa gestrichen war, die Tür- und Fensterrahmen allerdings lila.
Über der Tür hing ein weißes blumengeschmücktes Plakat, auf dem stand: „Wir deuten deine Träume, wie sie echt gewesen, individuell, nach deinem Wesen.“

Im Haus waren zwei Feen, die das Traumdeutungsgeschäft führten, Gemma und Esperança. Sie bereiteten das Einweihungsfest der Praxis vor. Gemma korrigierte die Plakate, während Esperança damit beschäftigt war, eine Regal vom Dachboden herunterzutragen. „Espe, warte, ich helfe dir!“ sagte Gemma. Espe antwortete: „Lass mal, das kann ich allein.“ Darauf hörte man den Lärm eines großen Gegenstandes, das die Treppe herunterpolterte. „Doch, Gemma. Ich brauche Hilfe. Seit ich mir letzte Woche das Schlüsselbein brach, fällt mir alles schwerer.“ - „Ach, Espe, du musst dich schonen!“ - „Alle sagen mir das, aber die Arbeit erledigt sich nicht von allein. Bis morgen schaffen wir das nie. Das wird eine schäbige Einweihungsfeier.“

Bernat, von dem Plakat angelockt, betrat das Haus.
„Guten Morgen, ich bin Gemma.“ sagte die bebrillte Fee. „Wie kann ich dir helfen?“ - „Ihr versteht etwas von Träumen? … Aber die Praxis ist ja noch gar nicht geöffnet.“ - „Doch, doch, wir haben schon auf. Hattest du einen Traum, den du nicht verstehst?“
Bernat sagte: „Ich habe nicht nur einen Traum, den ich nicht verstehe, sondern es handelt sich um einen Dopeltraum, den ich nicht zu deuten vermag.“
Espe sagte: „Dann leg mal los!“ - „Aber kostest mich das Geld?“ fragte Bernat besorgt. „Das Geld ist nicht so wichtig.“ lächelte Gemma, „Nun fang schon an, erzähl uns deinen Doppeltraum.“

Bernat beginnt: „Es ist ein heißer Tag, am Morgen. Ich bin in dem Büro einer Firma, die ich vor über zehn Jahren verließ, da sie in Zahlungsschwierigkeiten kam.“ - Gemma murmelte unverständliche Worte, die nicht freundlich klangen. - „Ich weiß nicht wieso, aber ich habe noch ein paar Sachen im Büro, die ich holen will. Ich sehe mich an meinem Schreibtisch, aus dem ich Bücher, Kugelschreiber Papiere und … einen Spielzeuglaster fische.“
Im Traum bin ich die Ruhe selbst. Logisch, denn ich habe ja schon eine andere Arbeit und hole nur meine Sachen aus meiner alten Firma.
Meine Ex-Kollegen hingegen sind nicht ruhig, da ja ihre Firma schließt. Ich nehme nicht nur meine Papiere an mich, sondern entnehme auch eine Packung Bratwürste aus dem Firmenkühlschrank. Sie gehöre eindeutig nicht mir.
Zwei Ex-Kollegen, Héctor und Elvira, fragen mich, ob es wirklich meine seien. Ich behaupte steif und fest, dass sie mir gehören, und stecke sie in meinen Rucksack.
Ich treffe auch noch eine ehemalige Mitschülerin (die in Wirklichkeit nie in dieser Firma gearbeitet hat) und ich frage sie, wie es ihr jetzt geht, wo die Firma schließt. Sie meint, das könne ich mir ja wohl vorstellen und macht ein ernstes Gesicht.“
- „Das ist doch kein Doppeltraum.“ sagt Espe.
„Warts ab, jetzt kommt der zweite Teil: Ich bin in Norddeutschland auf Urlaub (ich habe dort Verwandte), und es ist heiß. Es ist die gleiche Hitze wie im Haupttraum. Wir wollen mit der ganzen Familie im See baden. Im Fernsehen kündigen sie Gewitter über ganz Deutschland ab dem Morgen an. Nur die Region, wo wir uns befinden, erreichen die Wolken erst pünktlich um 20:00. Ich sehe diese Wetterkarte ganz klar vor meinen Augen. Ganz Deutschland von schwarzen Wolken bedeckt, nur über Ostholstein scheint die Sonne. So.“ Bernat ergreift einen Kugelschreiber und zeichnet die Ostseeküste und die Wetterfront.
„Ich bin sehr glücklich, dass ich noch Zeit zum Baden habe. Vorher muss ich aber noch ein paar Sachen aus meinem Alten Büro holen...“

„Was meint ihr?“ fragte Bernat. „Ziemlich hübsch“ bemerkte Esperança. - „Aber was bedeutet mein Traum? Meine jetzige Firma durchläuft gerade eine schwierige Lage. Für mich ist der Traum hoffnungsvoll: Ein Gewitter zieht auf, aber es schient als könnte ich mich rechtzeitig retten, oder?“
Gemma antwortete: „Die Träume enthüllen nie die Zukunft, sondern sie sagen nur, was du selbst denkst. Und um dir die Wahrheit zu sagen, du kommst nicht besonders gut dabei weg. Du bist arrogant und eingebildet, denn du hältst dich für besser als die anderen, du glaubst, du seist schlauer und kämest besser durch die Krise als deine Kollegen. Noch dazu bestiehlst du sie und leugnest es. Bist du wirklich so?“
Bernat wurde bleich: „Das denkst du wirklich? Und das ist alles?“ - „Nein, aber wenn du willst, machen wir dir eine tiefere Analyse und geben dir 40% Rabatt.“ Bernat antwortete: „Nein danke, die Kurzanalyse reicht mir schon. Vielen Dank und bis zu einem anderen Traum.“ Und er drehte sich zur Tür.
„Moment mal“, sagte Esperança. „Du musst noch Gemmas Kurzanalyse bezahlen.“ - „Wie??? Aber ihr habt doch selbst gesagt, Geld sei nicht wichtig und euch interessiere nur der Traum.“ - „Nun gut, kein Geld. Aber du siehst ja, wie es hier aussieht, siehst du das Regal auf dem Boden? Es braucht einen starken Mann, der es dorthin bringt, wo es hingehört.“ - „Aber, aber ...“ stammelte Bernat.“ - „Vorwärts! Weniger träumen und mehr arbeiten!“ befahl Esperança. Und Gemma verriegelte die Tür.
Zehn Stunden später war das Büro sauber, geschmückt und bereit für die Einweihungsfeier, 121 pralle Luftballons hingen von der Decke. Die Feen entließen Bernat, der nach Hause ging, wie tot ins Bett fiel und sofort in einen tiefen traumlosen Schlaf versank.

Dienstag, 5. Juni 2012

Freitag, 1. Juni 2012

Der Doppeltraum


Vorgestern hatte ich einen Doppeltraum.
Der Haupttraum drehte sich um meine alte Firma synera, bei der ich 2000-2001 arbeitete, die ich wegen ausbleibender Gehaltszahlungen verließ und die längst pleite gegangen ist.

Zusammenfassung des Haupttraums


In meinem Traum schließt synera endgültig. Ich arbeite längst in einer anderen Firma, aber da ich noch Dinge an meinem alten Arbeitsplatz habe, gehe ich an einem sonnigen Morgen ins Büro. Es ist eindeutig das alte Büro, nur dass der Eingang an der Seite liegt und mein Schreibtisch mit dem Rücken zu diesem steht.
Ich finde dort alte Ordner, das absolut nutzlose SQL-Buch und einen kleinen Spielzeugzug, von dem ich mir denke, dass er meinem kleinen Sohn Albert gefallen wird.
Das alles stecke ich in meinen Rucksack. Ebenfalls gehe ich in die Küche, um mir aus dem Kühlschrank ein paar Bratwürste mitzunehmen. Auf diese Bratwürste werde ich später von meinen Ex-Kollegen angesprochen, behaupte aber steif und fest, dass es meine seien.
Meine alten Mitstreiter sind alle sehr niedergeschlagen, während ich guten Mutes bin, da ich ja bereits seit geraumer Zeit an einer anderen Stelle arbeite.
In dem Traum nehme ich die ex-synerer nur in ihrer Funktion war. Das einzige Gesicht, das ich ausmache ist das von Héctor. (Das ist merkwürdig, da ich mit diesem Kollegen eigentlich so gut wie nichts zu tun hatte.) Eine andere Kollegin ist meine ehemalige Mitschülerin Wencke. Mit ihr führe ich eine kurze Unterhaltung, in der sie ihrer Bestürzung über die Schließung der Firma Ausdruck verleiht und sagt, sie habe noch keine andere Stelle. (Wencke hat natürlich nie bei synera gearbeitet, außerdem habe ich sie bestimmt seit 20 Jahren nicht mehr gesehen.)

Der Nebentraum


Der Nebentraum ist mit dem Haupttraum verwoben. Ich weiß nicht, welcher zuerst stattfand. Beim Aufwachen hatte ich beide im Sinn.
Im Nebentraum geht es darum, dass wir in Eutin im Urlaub sind. Es ist heiß, und wir wollen dieses Wetter nutzen, um baden zu gehen.
Im Fernsehen wird ein großes Unwetter angesagt, dass am Morgen über Norddeutschland toben wird. Allerdings wird er laut Wetterkarte Ostholstein erst um 20:00 Uhr erreichen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich die Karte Norddeutschlands in Schwarz getaucht, nur die Gegend um Eutin bis Fehmarn ist sonnig.
Diese Nachricht erfreut mich, denn ich will gerne baden gehen. Vorher muss ich allerdings noch kurz in mein altes Büro (in Barcelona!!!), um meine alten Habseligkeiten zu holen, die dort noch lagern. Schließlich macht synera endgültig zu.

Was will mir der Traum sagen?


Ich habe keine Ahnung von Traumdeutung, ich kenne eigentlich nur die einschlägigen Gleichnisse aus der Bibel.
Andererseits ist das Thema nicht so schwer. Die schwierige wirtschaftliche Lage Spaniens ist wohl bekannt, und auch meine Firma bleibt davon nicht verschont. Hinzu kommen noch ein Eigentümerwechsel und die Verwerfungen, die so etwas mit sich bringt.
Meine Firma macht schwierige Zeiten durch, und auch unser Standort in Barcelona ist ein Hort der Unsicherheit.
Die Sachen, die ich zusammenpacke, sind wohl in Wirklichkeit noch in meinem jetzigen Büro.
Was mich erstaunt, ist der Optimismus, den mein Unterbewusstsein zur Schau stellt.
Im Traum habe ich schon eine neue Stelle, und außerdem habe ich noch genug Zeit, bis die Sturmfront kommt.
Ehrlich gesagt hätte ich gerne den Optimismus und die Ruhe meines Unterbewusstseins.
Warum ich allerdings meinen Ex-Kollegen die Bratwürste aus dem Kühlschrank klaue, kann ich mir nicht erklären.

Montag, 2. April 2012

Des Hasses Ursprung

Der Hass zwischen den Völkern ist eine Plage, die uns allen das Leben erschwert. Aber woher kommt dieser Hass? Sehr häufig findet der Hass seinen Ursprung in Dingen, die uns lächerlich vorkämen, wenn seine Folgen nicht so schwerwiegend wären. Aber es gibt auch handfeste und gerechtfertigte Gründe.
Dies ist der Fall bei meinem Vater. Er hasst die Bayern und das aus gutem Grund.
Lest diesen Aufsatz, und ihr werdet es verstehen. Aber passt auf, dass ihr euch nicht ansteckt!

Mein Vater wuchs in Schleswig-Holstein auf, nahe der Ostsee.
Damals, Anfang der 1950er Jahre, fingen die Sommerferien immer im Juni an und gingen bereits im Juli zu Ende. Und fast immer war das Wetter mies. Mein Vater und seine Freunde waren verzweifelt und flehten die Wolkendecke an, sich doch zu öffnen, um ein paar Sonnenstrahlen hindurch zu lassen. Aber alles war vergebens.
Wolkig und regnerisch das Wetter, verzweifelt und wütend mein Vater.

Und in Gedächtnis meines Vaters ist es wie auf einem Band gespeichert, dass im August, wenn die Schule wieder anfing, die Sonne strahlte und die Temperaturen stiegen.
Das wäre ja schon schlimm genug, aber noch schlimmer war es, in den letzten Abendstunden – nach den Hausaufgaben! – zum Strand zu gehen und dort auf diese glücklichen, braungebrannten Menschen zu treffen, die in diesem unerträglichen südlichen scherzten und lachten.
Heiter und sonnig der Himmel, glücklich und fröhlich die Sommerfrischler – aus Bayern.

Wenn mein Vater mir dieses Trauerspiel und diese Ungerechtigkeit schildert, laufen seine Wangen auch jetzt noch, 60 Jahre später, rot an, und seine Augen füllen sich mit Tränen der Wut.

Mit den Jahren schwächte sich sein Hass ab. Am Ende gab er gar zu, dass sein bayerischer Schwager gar nicht so ein schlimmer Mensch sei und spielte sogar mit seiner bayerischen Nichte. Dieser Versöhnungsprozess fand seinen Höhepunkt in einer Familienreise nach Bayern, als ich zehn Jahre alt war. (Es schien übrigens auf der ganzen Reise die Sonne.)
Aber noch heute verdreht mein Vater die Augen, wenn er im Fernsehen einen bayerischen Moderator oder einen bayerischen Politiker sieht, und sie glänzen, wenn der FC Bayern einen auf den Sack bekommen.

Nachwort

Bleib noch zu ergründen, warum in den 1950er Jahren der Juni und Juli so grässlich verregnet waren und der August so postkartensonnig.
Pech? - Es gibt kein Pech.
Selektive Erinnerung? - Wage es nur niemand an den Erinnerungen meines Vaters zu zweifeln!
Es muss einen anderen Grund geben. Und dieser ist offensichtlich:
Das Nachkriegs-Schleswig-Holstein war von Flüchtlingen überschwemmt, aber es gab kaum Industrie. Der einzige Ausweg war der Fremdenverkehr. Es musste also alles unternommen werden, um Urlauber anzulocken. Was lag da näher als den gesamten Sommerregen bereits im Juni und Juli abregnen zu lassen?
Zum Leidwesen der einheimischen Jugend, zum Wohle des wirtschaftlichen Aufbaus.
Womit wieder einmal bewiesen ist, dass es die Politik ist, die den Hass sät.

Sonntag, 18. März 2012

Theos Reise

Als er endlich in der Kutsche saß, sah Theo die beiden offiziellen Schriftstücke noch einmal durch. Er kannte die beiden Namen, er kannte die beiden Personen. Er hatte mit ihnen erst vor ein paar Tagen gesprochen. Er hatte mit fast allen Personen auf den Vorgängerlisten vorher gesprochen.
Theo war ein angenehmer Gesprächspartner, er war bei allen beliebt. Aber trotzdem mieden die Leute ihn. Der Grund dafür lag in den Reisen wie der heutigen. In diesen Reisen, die er seit dem Besitzerwechsel des Gutes Sandfeld häufig machen musste. Der neue Besitzer, der Baron Ludewig, wollte sich von den überflüssigen und den widerspenstigen Aufsehern trennen.
Heute musste Theo nach Birkenfeld, einer Domäne, die zum Gut Sandfeld gehörte.
„Guten Morgen, Theo, ich freue mich, dich zu sehen“ log der Verwalter von Birkenfeld. Alle blickten in seine Richtung, einige neigten schüchtern den Kopf, aber niemand lächelte. Theo bemerkte die kalte Atmosphäre, die seine Anwesenheit schuf.
Er sagte dem Verwalter: „Lass mir dein Büro und rufe Reinhard.“ Reinhard betrat das Büro, die Angelegenheit dauerte kurz. Um die Unmöglichkeit wissend, sein Schicksal abzuwenden, leistete er keinen Widerstand und wenige Minuten später lag seine Leiche ausgestreckt auf dem Boden. Die Diener von Birkenfeld beeilten sich, sie zu entfernen.
Kurz darauf betrat er Marens Büro. „Ich möchte mit dir reden.“ Panik trat in das Gesicht der Aufseherin. „Mit mir?“
Einige Minuten später verließ Theo das Büro. Allein. Und dieses Gefühl des Alleinseins wich auch nicht inmitten der Angestellten der Domäne: Niemand wagte, ihm in die Augen zu blicken. Nicht, dass sie nicht den Drang verspürten ihn zu fragen: „Was hast du da gemacht?“ oder „Wie viele von uns willst du noch besuchen?“ oder ihm zu sagen: „Du bist ein armer Wicht! Deine Arbeit würde ich nicht einmal für das Dreifache deines Lohnes machen!“ Aber niemand sagte ein Wort.
Der Verwalter begleitete ihn nach draußen, wünschte ihm eine gute Reise und fragte ihn ebenfalls nichts von dem, was er eigentlich wissen wollte.
Als seine Kutsche endlich hinter dem Horizont verschwand, ließ sie die Bewohner Birkenfelds traurig und besorgt zurück. Schweigend begruben sie die Überreste ihrer Ex-Vorseher.
Niemand wusste, wen es das nächste Mal treffen würde. Und daran, dass es ein nächstes Mal geben würde, daran zweifelte niemand.
Auch Theo zweifelte nicht daran. Er war sich nur nicht sicher, wann es ihn selbst treffen würde und wer derjenige sein würde, der „mit ihm reden möchte.“

Herzlich willkommen bei den Ramschreben

Ich heiße alle Leser auf meiner Monologseite herzlich willkommen.

Dabei bin ich mir natürlich vollkommen bewusst, dass niemand freiwillig einen Blog einer anderen Privatperson liest. Ich tue das jedenfalls nicht, höchstens wenn mich jemand dazu zwingt.
Ich heiße mich also vollkommen willkommen.

Viel Spaß beim Lesen. Und mir natürlich viel Spaß beim Schreiben.
 
Marc Behrens