Montag, 2. April 2012

Des Hasses Ursprung

Der Hass zwischen den Völkern ist eine Plage, die uns allen das Leben erschwert. Aber woher kommt dieser Hass? Sehr häufig findet der Hass seinen Ursprung in Dingen, die uns lächerlich vorkämen, wenn seine Folgen nicht so schwerwiegend wären. Aber es gibt auch handfeste und gerechtfertigte Gründe.
Dies ist der Fall bei meinem Vater. Er hasst die Bayern und das aus gutem Grund.
Lest diesen Aufsatz, und ihr werdet es verstehen. Aber passt auf, dass ihr euch nicht ansteckt!

Mein Vater wuchs in Schleswig-Holstein auf, nahe der Ostsee.
Damals, Anfang der 1950er Jahre, fingen die Sommerferien immer im Juni an und gingen bereits im Juli zu Ende. Und fast immer war das Wetter mies. Mein Vater und seine Freunde waren verzweifelt und flehten die Wolkendecke an, sich doch zu öffnen, um ein paar Sonnenstrahlen hindurch zu lassen. Aber alles war vergebens.
Wolkig und regnerisch das Wetter, verzweifelt und wütend mein Vater.

Und in Gedächtnis meines Vaters ist es wie auf einem Band gespeichert, dass im August, wenn die Schule wieder anfing, die Sonne strahlte und die Temperaturen stiegen.
Das wäre ja schon schlimm genug, aber noch schlimmer war es, in den letzten Abendstunden – nach den Hausaufgaben! – zum Strand zu gehen und dort auf diese glücklichen, braungebrannten Menschen zu treffen, die in diesem unerträglichen südlichen scherzten und lachten.
Heiter und sonnig der Himmel, glücklich und fröhlich die Sommerfrischler – aus Bayern.

Wenn mein Vater mir dieses Trauerspiel und diese Ungerechtigkeit schildert, laufen seine Wangen auch jetzt noch, 60 Jahre später, rot an, und seine Augen füllen sich mit Tränen der Wut.

Mit den Jahren schwächte sich sein Hass ab. Am Ende gab er gar zu, dass sein bayerischer Schwager gar nicht so ein schlimmer Mensch sei und spielte sogar mit seiner bayerischen Nichte. Dieser Versöhnungsprozess fand seinen Höhepunkt in einer Familienreise nach Bayern, als ich zehn Jahre alt war. (Es schien übrigens auf der ganzen Reise die Sonne.)
Aber noch heute verdreht mein Vater die Augen, wenn er im Fernsehen einen bayerischen Moderator oder einen bayerischen Politiker sieht, und sie glänzen, wenn der FC Bayern einen auf den Sack bekommen.

Nachwort

Bleib noch zu ergründen, warum in den 1950er Jahren der Juni und Juli so grässlich verregnet waren und der August so postkartensonnig.
Pech? - Es gibt kein Pech.
Selektive Erinnerung? - Wage es nur niemand an den Erinnerungen meines Vaters zu zweifeln!
Es muss einen anderen Grund geben. Und dieser ist offensichtlich:
Das Nachkriegs-Schleswig-Holstein war von Flüchtlingen überschwemmt, aber es gab kaum Industrie. Der einzige Ausweg war der Fremdenverkehr. Es musste also alles unternommen werden, um Urlauber anzulocken. Was lag da näher als den gesamten Sommerregen bereits im Juni und Juli abregnen zu lassen?
Zum Leidwesen der einheimischen Jugend, zum Wohle des wirtschaftlichen Aufbaus.
Womit wieder einmal bewiesen ist, dass es die Politik ist, die den Hass sät.