Bernd navegierte schon einige Zeit im
Netz herum, als er plötzlich eines Schmatzens und Knurpsens gewahr
wurde, das aus einer Ecke seines Zimmers kam. Er blickte sich um, sah
aber nichts und widmete sich wieder seinem Rechner.
Da war es schon wieder, dieses
Schmatzen. Bernd sah sich um, konnte aber nichts ausmachen. Er wandte
sich wieder seinem Zeitvertreib zu. „Du kannst so tun, als gäbe es
mich nicht, aber das ändert nichts daran, dass ich hier in der Ecke
deines Raumes sitze und deine vertane Zeit in mich hereinstopfe.“
deklamierte eine entenschnatternde Stimme.
Erschrocken drehte Bernd
sich um und dann sah er ihn. In der Zimmerecke saß ein grünes
fettes Wesen mit feucht schimmernder Haut. Es sah einem Frosch
ziemlich ähnlich, hatte aber auch etwas von einem Menschen.
Bernd
standen die Haare zu Berge, starrte mit angst- und ekelerfüllten
Augen den Eindringling an und stammelte: „W-w-wer bist d-d-du?
W-Wie bist du hi-hi-hier hereingekommen?“ - „Ich bin dein
Zeitfresser, und ich bin jeden Tag hier. Immer wenn du mich brauchst,
heißt das. Mein Name ist immer der meines Wirtes. Also heiße ich
Bernd.“
„Und du ernährst dich von … meiner
Zeit?“ - „Von deiner vergeudeten Zeit.“
Bernd sagte, zunächst
bestimmt, aber zunehmend kleinlaut: „Wie, vergeudete Zeit? Ich, mh,
also du meinst, wenn ich so manchmal sinnlos im Internet unterwegs
bin?“ „Manchmal?“ fragte der grüne Bernd und klatschte
demonstrativ auf seinen Bauch. „Manchmal? Du bist mein einziger
Wirt, und ich bin fettleibig!“ - „Hmm, aber du musst doch
zugeben, dass dir meine Zeitvergeudung sehr zupass kommt.“ Der
froschartige Bernd meinte darauf: „Nein, ich bin einfach zu dick.
So geht das nicht weiter. Aber ich zeige dir etwas.“
Sprachs und setzte sich an den Rechner:
„Du vergeudest so viel Zeit, dass ich gar nicht alles
herunterschlingen kann. Ich habe mir erlaubt, in dem sozialen
Netzwerk, in dem du einen Großteil deiner Zeit versenkst, ein
Alternativprofil von dir erstellt.“
Der Zeitfresser öffnete das Konto von
„Bernd aktiv“, das sehr bunt war und viele Fotos enthielt.
„Hier siehst du all das, was du mit
der ganzen vergeudeten Zeit hättest anfangen können:
- Ein Foto von dir und deinen Freunden beim Fußballspielen – und das richtig auf dem Bolzplatz und nicht online.
- Eine Kopie deines Informatikdiploms, das du über den zweiten Bildungsweg erreicht hast – hättest, soll das natürlich heißen.
- Ein Bild von deinem Neffen, mit dem du zusammen einen Lenkdrachen baust. Siehst du, wie der Junge strahlt? Guck ihn dir ruhig an, du hast ihn ja lange nicht mehr besucht!
- Und hier bei der Freiwilligen Feuerwehr.
- Und dort, … nun ja.“
Bernd schrie: „Moment, da liege ich
ja im Krankenhaus mit einem eingegipsten Bein! Also ist im Netz
Herumlungern doch manchmal besser.“ Der Zeitvertilger antwortete:
„Gut, das Bein hast du dir beim Bergsteigen gebrochen. Aber siehst
du die Krankenschwester dort? Tolle Ausstrahlung und dazu noch
Superfigur. Und wie sie dich anschaut! Nun ja, du wirst sie ja doch
nie kennenlernen, weil du den ganzen Tag nur mich mit toter Zeit
fütterst...“
„Was willst du denn eigentlich von
mir? Mein Lebensstil muss dir doch 100%ig gefallen!“ - „Nein, ich
kann es nicht mit ansehen: Nicht wie du deine Zeit vergeudest und
auch nicht, wie ich immer fetter und fetter werde. Damit muss Schluss
sein! Verstehst du? Wenn ich doch nur sehen könnte, wie du endlich
etwas vernünftiges machst, dann kann ich auch in Frieden sterben.
Schließlich bin ich auch nicht mehr der Jüngste.“ Bernd fragte:
„Heißt das, wenn ich meine Zeit ab jetzt sinnvoll nutze, musst du
verhungern?“ - „Ja, aber mach dir keine Sorgen: Ich bin ohnehin
schon sehr alt und was ich an verlorener Zeit in der Speisekammer
habe, reicht locker bis zu meinem Ableben. So, denk über meine Worte
nach. Jetzt mache ich mich wieder unsichtbar. Lebe wohl und lebe
sinnerfüllter.“
Mit diesen Worten verschwand der
froschartige Bernd und ließ den verdutzten Bernd zurück. Dieser
dachte eine Weile nach und sprach: „Der Zeitfresser hat Recht. Ich
muss mit diesem Zeitverschleudern aufhören. Morgen fange ich damit
an.“
Dann widmete er sich wieder seinem
Rechner und versank im Kommentarteil einer Sportzeitung.
Das verzweifelte und später
resignierende Seufzen in der Zimmerecke hörte er nicht mehr.
Und auch nicht das in der Folge
einsetzende Schmatzen und Knurpsen.
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